Yggdrasil

Die Bedeutung von Bäumen in alten Kulturen

In vielen alten Kulturen, mythologischen Systemen und religiösen Mythen wird Bäumen eine besondere Bedeutung zugesprochen, sie fungieren als symbolische Darstellungsebenen, Zeichen von Fruchtbarkeit und Leben und werden in ihrer Bedeutung vor allem aufgrund ihrer Zwischenstellung zwischen Himmelreich und Erdreich oft auf symbolische Art und Weise ausgelegt. Während der bekannteste Baum im biblisch-religiösen Bereich der Baum der Erkenntnis ist, sieht auch die Tradition der nordisch-germanischen Mythologie einen bedeutsamen Baum im Mittelpunkt ihres Weltbildes: Yggdrasil, die Weltenesche.

Der Weltenbaum

Die Vorstellung eines Weltenbaums ist in den alten Überlieferungen vieler Völker und in den verschiedensten Mythologien aufzufinden. Er soll symbolisch die Ordnung der jeweiligen Welt oder Welten verkörpern und die verschiedenen Ebenen miteinander verbinden. In den meisten vorwissenschaftlichen Kulturen gliedert sich diese Weltenvorstellung in Himmel oder Götterwelt, Erdenwelt und Unterwelt.

Die Weltenesche Yggdrasil als Weltenbaum, Himmelsstütze und Weltachse

Die Weltenesche oder der Weltenbaum, wie Yggdrasil auch genannt wird, steht in der germanischen Mythologie in einem vielseitigen Bezugssystem aus verschiedenen Bedeutungen und Symbolismen. So fungiert die Esche zum einen als Weltenbaum, in dem sie die verschiedenen Welten miteinander verbindet und deren Mittelpunkt darstellt. Des Weiteren gilt Yggdrasil als Himmelsstütze, da die Zweige des Baumes germanischem Glauben nach das Himmelsgewölbe stützen und halten. Nicht nur als Weltenbaum, auch als Weltachse wurde die Weltenesche im Bedeutungshorizont der Mythologie bezeichnet und verstanden. Himmel, Mittelwelt und Unterwelt werden diesen Vorstellungen entsprechend durch Yggdrasil als Weltachse miteinander verbunden.

Odins Selbstopfer und Yggdrasil als Wissensbaum

Als Baum entspricht Yggdrasil auch einem Bild von Werden und Vergehen, einem natürlichen, in die Umwelt eingebundenen Kreislauf aus Leben und Tod. Einer germanischen Sage nach hängte sich einst Odin als Selbstopfer an Yggdrasil auf, um durch diese Tat Zugang zu dem Wissen zu bekommen, das unter den Wurzeln der Weltenesche verborgen liegt. In diesem Kontext kommt dem Baum auch die Symbolik eines Wissensbaums zu.

Yggdrasils Wurzeln

Nach germanischer Vorstellung breiteten sich die Zweige Yggdrasils über das Himmelsgewölbe und die Erde aus. Die Wurzeln der Weltenesche erstrecken sich über drei Seiten, aus jeder Wurzel entspringt eine Quelle. Unterhalb der Wurzeln ist jeweils eine Welt angesiedelt, auf diese Weise sind Midgard, Utgard und Niflheim miteinander verbunden.

Das Welken der immergrünen Weltenesche

Der Baum Yggdrasil gilt als immergrün und symbolisiert auf diese Weise Leben und Fruchtbarkeit. Zu Ragnarök jedoch beginnt die Esche endgültig zu welken und ist somit eines der vielen drohenden Anzeichen, die den Beginn der Götterdämmerung ankündigten und einläuteten.

Die Tiere Yggdrasils

Yggdrasil beherbergt unterhalb der Wurzeln nicht nur verschiedene Welten, der riesenhafte Welten- und Lebensbaum beherbergt auch einige Tiere. Neben dem Eichhörnchen Ratatöskr, das den Stamm entlang läuft, gibt es den Drachen Nidhöggr an den Wurzeln des Baumes sowie einen Adler auf der Spitze. An den Ästen der Esche weiden vier Hirsche namens Dain, Dwalin, Dunneir und Durathror, die die Knospen des Baumes fressen.

Ratatöskr

Ratatöskr ist in der germanischen Mythologie ein Eichhörnchen, das zwischen den Wurzeln der Weltenesche und ihrer Spitze hin und her eilt, indem es am Stamm empor- und hinabklettert. Seine Aufgabe besteht darin, den Tieren, die ober- und unterhalb des Baumes leben, zuzutragen, was der jeweils entgegengesetzte Widerpart geäußert hat. Auf diese Weise schürt Ratatöskr einen immerwährenden Zwist und symbolisiert dadurch die Feindseligkeiten, die immer wieder auf der Welt ausbrechen.

Adler und Habicht

Auf der Spitze der immergrünen Weltenesche thront ein Adler, der stetig damit beschäftigt ist, die Welt zu beobachten. Zwischen seinen Augen befindet sich ein Habicht, der für die Gestaltung des Wetters zuständig ist. Ratatöskr trägt als Bote dem Adler die angeblichen Aussprüche des Drachen Nidhöggr zu und sorgt auf diese Weise für den ewigen Zwist.

Nidhöggr

Nidhöggr gilt als schlangenartiger und furchterregender Drache, der von unten an den Wurzeln Yggdrasils nagt. Auf diese Weise verursacht er dauerhaften Schaden am Weltenbaum. Des Weiteren gilt er als Neiddrache und ist der Widerpart zum Adler auf der Spitze der Esche; das Eichhörnchen Ratatöskr trägt ihm zu, was der Adler angeblich über ihn äußert.

Die Quellen Yggdrasils

Alte Geschichten sprechen von drei Quellen, die sich zu Füßen der Weltenesche befinden und unterhalb ihrer Wurzeln entspringen. Dabei handelt es sich um den Urdsbrunnen, den Mimirsbrunnen und Hvergelmir. Jede dieser Quellen ist auf irgendeine Art und Weise mit dem Schicksal der Weltenesche verknüpft.

Der Urdsbrunnen

Der Urdsbrunnen heißt auch Schicksalsbrunnen und ist die Quelle, an der die Götter ihre Beratungen abhalten. In der Nähe des Brunnens steht der Saal, in dem die drei Nornen Urd, Verdandi und Skuld wohnen, die die Geschicke der Menschen und der Götter in ihren Händen halten.

Der Mimirsbrunnen

Der Mimirsbrunnen, auch Mimirs Brunnen genannt, gilt als Brunnen der Weisheit. Hüter der Quelle ist Mimir, der mit seinem Horn daraus trinkt. Mimir gilt deshalb als Weiser und wird von Odin zu Rate gezogen, als die Anzeichen für das Nahen Ragnaröks beginnen.

Hvergelmir

Hvergelmir bedeutet in altnordischer Sprache in etwa „brausender Kessel“ und bezeichnet die dritte Quelle unter den Wurzeln Yggdrasils. Gemäß germanischen Vorstellungen haust in dieser Quelle der Neiddrache Nidhöggr, der von unten am Wurzelwerk der Weltenesche nagt.